Pilotprojekt Rettungs-Schaf – April, April!

Für einmal keine Pionier-Arbeit in Zermatt. Schwarznasenschafe sind zwar charaktervolle Tiere, aber keine Suchtiere. Darum werden sie nicht als Rettungs-Staffel für die erste Hilfe bei Verletzten eingesetzt, wie dies in der Medienmitteilung von gestern mitgeteilt wurde. Es handelt sich um den Zermatter Aprilscherz 2017.

„Die Schafe können auch diesen Sommer ungestört ihre Bergkräuter suchen und ihr ruhiges Herdendasein geniessen“, sagt Schafzüchterin Rebecca Julen (30). Ihre Schwarznasenschafe gehen ihr über alles. Darum würde sie die Schafe auch nicht dem Stress eines Trainingsprogrammes oder gar immer wieder dem Helikopter-Lärm aussetzen. „Artgerechte Tierhaltung heisst, die Tiere das sein zu lassen, was sie sind“, sagt sie und streichelt einem ihrer Schwarznasenschafe über die schwarze Nase. Das bedeutet, dass die rund 300 Schafe der Schafzüchterfamilie Julen im Mai aus dem Winterquartier gelassen werden. Sie gehen dann selbständig und stufenweise in die Höhe und suchen sich selber ihre Weidegründe. „Schwarznasenschafe sind charaktervoll, aber auch ausgesprochene Herdentiere“, sagt Rebecca Julen. Die älteren Schafe kennen die besten Kräuter-Plätzchen, wissen, wo sie bei grosser Wärme ihre Stirnen an kühlen Felsbrocken abkühlen können und wo sie in Ruhe wiederkäuen können. Eine Aussage in der Medienmitteilung von gestern stimmt allerdings: „Schwarznasenschafe sind tatsächlich speziell ortskundig und wissen sich gut im steilen Gelände zu bewegen“, weiss Rebecca Julen.

Rettungsschaf - Heliport
© Zermatt Tourismus

Auch Gerold Biner, CEO der Air Zermatt und Helikopter-Rettungspionier ist froh, dass die Schafe nicht zu Rettungsschafen umfunktioniert werden: „Hundeführer mit ihren Hunden sind für die Suche von Vermissten hoch willkommen. Bei Schafen hätte ich meine Bedenken“, sagt er.
Die Helikopterpiloten der Air Zermatt sowie die Bergführer der Rettungsstation gehören weltweit zu den Pionieren der Bergrettung. Das schnelle Auffinden und Retten von Verletzten ist seit Jahren ihre Kernkompetenz. Da lassen sie sich nicht auf gewagte Experimente ein.

Das charaktervolle Schwarznasenschaf

Schwarznasenschafe sind seit Jahrhunderten im Oberwallis zu Hause. Verschiedene Zuchtverbände und Vereine haben sich der Aufgabe verschrieben, diese spezielle Rasse zu pflegen. Zu ihren Merkmalen gehört: schwarzes Gesicht, schwarze Ohren, die Damen dürfen auch einen schwarzen Fleck am Po haben. Die Schwarznasenschafe haben eine speziell gut isolierende Wollschicht, die Kälte und Wärme abhält. Der Körperbau ist äusserst robust, die Beine sind kräftig. Das Verhalten ist den Gegebenheiten im Gebirge angepasst: „Wir beobachten unsere Tiere ständig. Dabei sehen wir, wie ältere Schafe den jüngeren das überlebenswichtige Wissen beibringen“, erklärt Rebecca Julen. Das heisst, sie kennen die gefährlichen Abhänge und verhalten sich bei Gewitter und Sommerschneefall richtig.

Rettungsschaf - Heliport - 2
© Zermatt Tourismus

Besuch bei den Schafen

Im Sommer können die Schwarznasenschafe der Familie Julen auf der Weide besucht werden. Mit Führung der Schafzüchterfamilie, zum Beispiel Paul oder Rebecca Julen. Das ist vor allem für Familien mit Kindern ein wunderschönes Erlebnis.

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Pionier-Arbeit in Zermatt: Diesen Sommer werden Pilotversuche gemacht mit der Integration von Schafen in das alpine Rettungswesen. Einige Schafe sind bereits trainiert, verletzte Wanderer im alpinen Gelände selbständig aufzusuchen, damit diese in optimaler Zeit gerettet werden können.

"In der Bergrettung werden wir ab diesem Sommer einen wesentlichen Schritt weiter sein", sagt Helikopterpilot und CEO der Air Zermatt, Gerold Biner. In Zusammenarbeit mit der Zermatter Schafzüchterin Rebecca Julen (30) wurde ein Programm ausgearbeitet, das Schafe zu Rettungs-Schafen ausbildet. "Neueste Studien belegen, dass Schafe Qualitäten haben, die der Wissenschaft bisher unbekannt waren. Wir Schafzüchter wissen aber schon lange, dass sich Schwarznasenschafe im Gelände unglaublich gut orientieren können", sagt Rebecca Julen. Zudem seien Trittsicherheit, Schwindelfreiheit, Gelände-Intelligenz und Wetterfestigkeit ausgeprägter als bei Suchhunden. "Unsere Schafe wissen ganz genau, wie sie im Gebirge am schnellsten von A nach B kommen. Damit sind sie für die Hilfe im alpinen Gelände geradezu prädestiniert", betont Rebecca Julen. Diesen Sommer wird nun das Projekt "Rettungsschaf" lanciert.

In Zermatt wurde in den 60er Jahren die alpine Rettung entwickelt – mit Helikoptern, Rettungskolonnen aus Bergführern, inklusive Integration von Suchhunden. Damit liegt es auf der Hand, dass man wiederum eine Vorreiterrolle übernimmt und diesen unkonventionellen Schritt wagt: "Die ersten Schafe haben bereits verschiedene Trainingseinheiten absolviert", sagt Gerold Biner, CEO der Air Zermatt. 

Die Vorarbeiten liefen den ganzen Winter. Selektionierte Schafe bekamen im Schafstall ein tiergerechtes Trainingslager. Und so funktioniert das Projekt "Rettungsschaf": die ausgebildeten Schafe bewegen sich im Sommer zusammen mit ihrer Herde frei auf den Alpenwiesen. Sobald die ausgebildeten Schwarznasenschafe hören oder riechen, dass es einem Wanderer schlecht geht oder er gar am Boden liegt, begeben sie sich sofort zum Verletzten. Da sie ein SOS-Set am Körper tragen, kann sich der Verletzte helfen. Am Set kann der Verletzte einen gut sichtbaren Notfallknopf drücken, der auf der Helikopterbasis der Air Zermatt Schaf-Alarm auslöst. Der Pilot peilt den GPS-Punkt an, der vom Sender des SOS-Sets aus geht. Im Set befinden sich zudem Erste-Hilfe-Arzneien, die der Vermisste benützen kann, bis der Helikopter eintrifft, ähnlich den Bernhardinern mit ihren Schnapsfässchen, den legendären Lebensrettern von damals. "Mit moderner Technik und ortskundigen Schafen arbeiten wir daran, im Rettungsablauf neue Wege zu gehen", sagt Helikopter-Rettungsspezialist Gerold Biner.